Donnerstag, 5. Oktober 2006

Eine Geschichte

Lebenslauf eines dicken Mannes

Eigentlich sah sich der dicke Mann immer so – ein dünner verletzlicher Mensch mit einer dünnen verletzlichen Seele ist gefangen in einem riesigen Körper aus Wülsten und Rundungen, nachgiebigen Weichteilen und wundgescheuerten Schwarten. Aber er wusste, wer sich wirklich hinter dieser Gesamtmaske verbarg – das unbeschwerte Kind, der biegsame Jüngling, der mit federnden Schritten voraneilende Erwachsene.
Der dicke Mann war schon als Kind dick. Mutter und Vater, Großeltern, Onkeln, Tanten – sie alle breiteten die Arme weit aus, um den dicken Mann als Kind zu umfangen. Der dicke Mann schwitzte und keuchte, aber er fühlte sich geborgen. Großmutters großer Busen drohte ihn zu ersticken, aber er wusste – die Welt der Hänseleien, Verspottungen, Gefahren konnte nicht bis hierher dringen. Großmutter war der Ort der Zuflucht, denn seine Eltern sah er nur selten. Leonie war der Ort der Sehnsucht – sie sah er als Kind von Ferne. Schwarze Zöpfe, schlenkernd, Rotz hochziehend, spitze Knie, abgeschürft. Leonie blieb lange der Ort der Sehnsucht. Der dicke Mann als Kind wuchs heran zum dicken Mann als Jüngling. Leonie wuchs mit. Sie war schlank wie der dicke Mann selbst in seinen Träumen vom anderen Ich. Sie wurde von Tag zu Tag schöner und lachte nicht einmal mehr über den dicken Mann, sondern sah über ihn hinweg. Fast hätte der dicke Mann keinen Lebenslauf gehabt, weil die Versuchung, von der schönen Leonie zu schreiben, zu groß geworden war.
Der dicke Mann blieb allein mit seinen Sehnsüchten. Man steckte ihn zu einem Bäcker in die Lehre. Dort stand er nun um zwei Uhr in der Früh, sein Gesicht müde, weiß und teigig und flocht einen Striezel um den anderen. Manchmal ging er aufs Klo und sah sein weißes, müdes Gesicht, in dem stets ein paar Tropfen kalten Schweißes hingen, im Spiegel an. Dann wollte er nicht selten den Spiegel zertrümmern, besann sich aber eines Besseren und ließ zwei dicke Tränen die Wangen herunter rinnen und sah zu, wie sie sich mit dem Schweiß vermischten, und von den fleischigen Wangen direkt auf sein weißes Netzhemd tropften. Dann machte er kehrt und flocht weiterhin Striezel.
Der dicke Mann wohnte bei seinen Eltern bis zu deren Tod. Der kam unvermutet. Ein Lastwagen raste direkt in das Wohnzimmer des Eckhauses und tötete Vater und Mutter, die gerade Bilder von Kolibris in ein Album klebten. Der dicke Mann ließ mit dem ansehnlichen Batzen Geld, den er von der Versicherung bekam, das Haus wieder in Stand setzen. Was übrig blieb, legte er in einem gemischten Fonds an, eine nicht unbeträchtliche Summe davon wandte er aber zuvor für einen japanischen Ziergarten von unüblicher Größe auf. Trotz der relativ großen Fläche dominierte in diesem Garten die Vielfalt des Zierlichen. Wirklich 'lesen' konnte diesen Garten nur der dicke Mann, aber es blieb kenntnisreichen Spaziergängern nicht verborgen, dass sein besonderes Augenmerk einer kleinen Ansammlung winziger Kiefern gehörte. Und wäre ein Japanologe darunter gewesen, so hätte er gewusst, dass das Wort 'matsu' (für Kiefer) auch 'warten' bedeutet, gemeiniglich Warten auf die geliebte Person.
Der dicke Mann wartete vergeblich, und als er mit 38 Jahren schwerfällig über seinen kleinen Kiefern tot zusammenbrach, da hörte niemand, wie er noch ein letztes Mal 'Leonie' flüstern wollte. Wahrscheinlich wollte er das auch gar nicht, denn auch dicke Männer sterben ohne Pathos.

Spaßmädchen

Ich bin ein Mädchen, über das man Lieder schreiben sollte!

Profile

Name: Leonie - Rachel
Birthday: 19th March 1990
City: Vienna


♥personal note♥

wenn ich von dir träume
sehe ich uns auf einen abgrund liegen die sterne beobachten
und das meer hören wir wie es gegen die klippen kracht.
du gibst mir das vertrauen zu dieser welt.
ich nehm deine hand
wir gehn zum abgrund
durch dich kann ich fliegen
und wir fliegen hoch bis zu den sternen.
wo wir weiter leben bis in die unendlichkeit.



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